H.E. Edgerton in seinem Labor
(C) Courtesy MIT
Museum
Vom Vacu- zum LED-Blitz
Noch bis ins 20. Jahrhundert hinein war der »antike« Funkenblitz Stand der Technik, wenn es um sehr kurze Blitzimpulse ging. Wer so etwas brauchte, war auf diese Uralttechnik angewiesen, denn es gab schlicht nichts anderes. Der Vacublitz, die einzige Alternative im Blitzsektor, war dank seiner langsam abbrennenden Magnesiumfäden alles andere als geeignet für schnelle Vorgänge.
Das änderte sich erst in den dreißiger Jahren, als der amerikanische
Ingenieur und Erfinder Harold Eugene Edgerton bei seinen Untersuchungen mit
verschiedenen Gasentladungsröhren das Edelgas Xenon einsetzte. Damit war der
Elektronenblitz erfunden.
Es dauerte dann noch bis 1945, als Edgerton sein
Patent freigab und der Elektronenblitz langsam in die normale Fotografie Einzug
halten konnte. Als Energiespeicher stand damals hauptsächlich der
Papierkondensator zur Verfügung, der eine geringe Kapazität, aber eine recht
hohe Spannungsfestigkeit besaß. Das Resultat waren energiereiche
Blitze mit Leuchtzeiten von 1/5000s und weniger.
Mit dem Einzug des
hochkapazitiven Elektrolytkondensators in die Blitzgeräte konnte die Spannung
gesenkt werden, ohne daß Energie verlorenging. In der Konsequenz stieg aber die
Leuchtzeit stark an und lag nur noch bei ca. 1/1000s – für schnelle Objekte viel
zu lang.
Die Elektronik hilft
Die »Rettung« kam, als die deutsche Fa. Rollei Anfang der 1960er Jahre den
sog. Computerblitz einführte. Mit einem Computer hatte er natürlich nichts zu
tun, er besaß lediglich eine variable Blitzdauer zur Belichtungsregelung,
mit der sich Zeiten bis herunter zu 1/20000s erreichen ließen. Aus der Sicht der
Highspeed-Fotografie war das ein großer Vorteil, obwohl die Regelung voll zu
Lasten der Blitzleistung ging. Um wieder auf eine akzeptable Lichtmenge zu
kommen, müssen mehrere Blitzgeräte parallel betrieben werden.
Ein zweiter
Punkt, wo die üblichen Systemblitzgeräte zu wünschen übrig lassen, ist der
Stroboskop-Modus. Während ältere Geräte wie der Metz 40MZ nur auf eine
Blitzfrequenz von 30Hz kommen, schaffen modernere wie der Nikon SB-800 immerhin
100Hz. Leider blitzt jedes Gerät völlig autark, eine Kombination mehrerer Geräte
zur Erhöhung der Lichtleistung ist im Stroboskop-Modus bisher nicht möglich.
Weil der Umbau eines industriell hergestellten Blitzgerätes so gut wie
unmöglich ist, wäre ein Versuch mit der neuen Wunderwaffe der Lichterzeugung,
der LED, interessant. Diese Bauelemente haben in den letzten Jahren Einzug in
viele Leuchtmittel gehalten, nur in Blitzgeräten sind sie so gut wie nicht zu
finden. Woran es liegt, soll mit einem Testaufbau herausgefunden werden.
Mit der Cree XM-L2, einer der derzeit effektivsten LEDs, ergeben sich folgende Werte:
Flußstrom IF |
0,7A |
2A |
3A |
6A |
Flußspannung UF |
2,85V |
3,15V |
3,35V |
3,5V |
Leistung P |
2W |
6,3W |
10W |
20W |
Lichtstrom ɸ |
370lm |
776lm |
1200lm |
1770lm |
Effizienz η |
158lm/W |
123lm/W |
104lm/W |
88lm/W |
Die Tendenz ist ersichtlich: Mit steigendem Flußstrom IF steigt
zwar der Lichtstrom ɸ, aber die Effizienz sinkt. Die am Anfang noch relativ
lineare Zunahme von ɸ nähert sich asymptotisch einem Maximalwert an, d.h. immer
mehr elektrische Leistung wird in Wärme statt in Licht umgesetzt. Bis die Diode
irgendwann in »Sättigung« geht und schließlich durchbrennt.
Die Zahlen zeigen
aber auch, daß die absolute Lichtabgabe einer Einzeldiode nur gering ist,
besonders wenn sie im Sinne einer hohen Effizienz mit wenig Strom betrieben
wird. Eine Stromspar-Diode taugt aber genauso wenig für ein Blitzgerät wie ein
Spritspar-Auto für ein Formel1-Rennen.
Der Ausweg
In beiden Fällen hilft nur mehr Leistung. Was beim Auto mehr Zylinder sind, ist bei einer LED die »Chip-On-Board«-Technologie, bei der statt einem einzigen viele LED-Chips direkt auf das Substrat gesetzt und vom Hersteller verdrahtet werden. Das Ergebnis ist eine COB-LED, quasi eine Super-LED mit zwei Anschlüssen, die aber intern aus vielen Dutzend oder gar Hunderten Einzel-LEDs besteht. Eine derartige COB-LED, die Luminus CHM-27, sollte zeigen, wie sie sich im Blitzbetrieb schlägt. Dabei interessierten besonders die Leuchtzeiten unterhalb 20µs, also dort, wo das herkömmliche Xenon-Blitzgerät mit Lichtabschaltung allmählich an seine Grenzen stößt. Ein Nachteil dieser LEDs ist, daß sie nicht direkt »weißes« Licht abgeben, sondern kurzwelliges blaues. Das regt einen Phosphor bzw. Luminophor zur Aussendung von gelbem Licht an, beide Komplementärfarben ergeben weißes Licht. Möglicherweise kommt es dabei zum Nachleuchten des Phosphors, wodurch sehr kurze Leuchtzeiten verhindert würden.
Das Keramiksubstrat der LED besitzt die Abmessung 31,5x31,5mm² mit einer
leuchtenden Fläche von 29,5mm Durchmesser. Schon bei der Nennleistung von 100W
(2,7A bei 37V) erreicht sie einen Lichtstrom von fast 13000lm, der sich bei der
lt. Manual noch zulässigen maximalen Dauerleistung von 150W (4A bei 37,5V) um
das 1,4fache auf über 18000lm erhöht. Die Lichtausbeute sinkt dabei zwar von
130lm/W auf 120lm/W, ist aber immer noch sehr hoch. Die enorme Abwärme muß
natürlich über einen Kühlkörper abgeführt werden, damit die LED nicht den
Hitzetod stirbt.
Mit ihrer Helligkeit gehört diese LED eindeutig in die
Kategorie der »Lichtmonster«, von denen man die ungeschützten Augen fernhalten
sollte. Wenn unbedingt ein Blick auf die leuchtende Fläche sein muß, dann nur
mit einer Augenschutzfolie, wie sie zum Beobachten einer Sonnenfinsternis
benutzt wird.
Obwohl die Lichtemission schon bei Nennleistung enorm ist, reicht sie für den Blitzbetrieb nicht aus. Eine weitere Steigerung ist nur noch im Pulsbetrieb möglich, in dem die Verlustleistung über das Ein/Aus-Tastverhältnis gemittelt wird. Die mittlere Leistung aber hin oder her – mit steigendem Strom steigt natürlich die Belastung der Bonddrähte und der vielen Einzel-LEDs stark an. Solange die vom Impuls erzeugte Wärme von den LED-Chips bzw. dem Substrat aufgenommen werden kann, ist die Welt der LED noch in Ordnung. Übersteigt die kurzzeitige Energiezufuhr aber den »letalen« Maximalwert, brennt sie durch. Wo dieser Schwellwert liegt, kann nur geschätzt werden, denn im Datenblatt wird zu derartigen Betriebsbedingungen weit außerhalb der Spezifikation nichts oder nur wenig ausgesagt.
Der Versuchsaufbau
Um diesen Wert nicht sofort zu überschreiten, wurde die Testschaltung sehr
»konservativ« ausgelegt. Als Energiespeicher dient ein 3,3µF-Kondensator, der
per Abgriff auf 65V, 130V oder 195V aufgeladen wird. Die Energie liegt damit
zwischen 0,007Ws und 0,07Ws.
Damit die Entladung kontrolliert abläuft, liegt
die LED im Querzweig einer H-Brücke aus schnellen Leistungs-FETs, die von einem
Mikrocontroller angesteuert wird. Damit kann der Strom beliebig ein-, aus- und
sogar umgepolt werden. Der µC ist schnell genug für Impulse bis herunter zu
0,5µs.
Der Entladestrom läßt sich direkt an einem Shunt-Widerstand von RSH=0,01Ω messen. Das erzeugte Licht wird mit einer Hamamatsu-Fotodiode mit Korrekturfilter gemessen. Sie steuert einen schnellen Operationsverstärker (OPV) an, dessen Ausgangsspannung linear der Lichtstärke folgt. Zur Anzeige dient ein digitales Tektronix-Speicheroszilloskop (DSO).
Im ersten Schritt wurde der Kondensator auf 65V aufgeladen und komplett über
die LED (gemäß Bild #1) entladen. Visuell zu sehen war nur der Hauch eines
Lichtscheins, den nicht einmal die Fotodiode registrierte. Bei
130V und 0,03Ws war der Lichtpuls schon wesentlich stärker und die FD
lieferte eine erste Entladekurve (Bild #4 re.u.). Die zugehörige Spannung am
Shunt RSH lag bei USH=0,12V, was einem Strom von 12A
entsprach. Im letzten Schritt wurde die Spannung auf 195V hochgesetzt,
womit die Amplitude der Lichtkurve quasi verdoppelt wurde (Bild #4
re.o.). Mit USH=0,32V lag der Entladestrom bereits bei 32A. Die
Fläche unter der Entladekurve repräsentiert dabei die abgegebene
Lichtenergie.
Da die LED auch nach hunderten Blitzen noch
funktionierte, wurde die höchste Spannung
beibehalten.
In den folgenden Schritten wurde der Strom nach 20µs bzw. 10µs abgeschaltet und die zugehörige Lichtemission gemessen. Man erkennt, daß das Licht noch ca. die doppelte Zeit nachleuchtet (Bild #5 oben). Die Ursache dürfte aber nicht im verwendeten Phosphor liegen, sondern in der »Überschwemmung« des pn-Übergangs mit Ladungsträgern, die nach einer bloßen Unterbrechung des Stroms nicht urplötzlich verschwinden. Erst bei einem Kurzschluß der LED werden die freien Ladungsträger aus dem PN-Übergang ausgeräumt und die Lichtemission kommt zum Erliegen (Bild #5 unten). Ein kurzzeitiges Umpolen des Stroms brachte keine sichtbare Verbesserung zum einfachen Kurzschluß.
Dasselbe wurde mit den noch kürzeren Zeiten 5µs und 2,5µs wiederholt,
wobei beim bloßen Ausschalten kaum noch ein Unterschied festzustellen ist
(Bild #6 oben). Die Lichtemissionen ähneln mit 21µs bzw. 17µs fast
schon Sinushalbwellen. Erst mit einem Kurzschluß der LED werden die
gewünschten »richtigen« Blitzzeiten erreicht (Bild #6 unten).
Die
Anstiegszeit des Lichtimpulses beträgt ca. 10µs, bei kürzeren
Leuchtzeiten erreicht die Lichtintensität nicht mehr das Maximum. Die
Energie dieser extrem kurzen Lichtpeaks ist dementsprechend
gering.
Schlußfolgerungen
Von der im Kondensator enthaltenen Energie von 0,07Ws wird nur gut ein Drittel in der LED umgesetzt (ELED=IF x UF x t -> 32A x 39V x 20µs≈0,025Ws), der Rest geht hauptsächlich in den beiden beteiligten Transistoren und der LED selbst als Wärme verloren. Die übriggebliebene Nutzenergie wird während der Leuchtzeit in eine Pulsleistung von 1250W umgesetzt, was bei einer geschätzten Lichtausbeute von 100lm/W einem Lichtstrom von ɸ=125000lm entspricht. Zum Vergleich: Ein Systemblitzgerät mit Xenonröhre besitzt bei derselben Blitzzeit noch eine Energie von ca. 0,5Ws, die in eine Pulsleistung von 25000W umgesetzt wird. Bei 50lm/W ergibt das 1250000lm, also den zehnfachen Wert der LED. In der Realität dürfte die Effizienz der LED eher in der Nähe der Xenonröhre liegen, womit sich die Lichtausbeute noch einmal halbiert. Grob geschätzt gibt die COB-LED im Blitzbetrieb 10-20mal weniger Licht ab als eine Xenonröhre.
Ein absoluter Vergleich mit anderen Lichtquellen ist schwierig. Dazu müßte
man die gesamte abgegebene Lichtmenge messen, Stichwort Ulbricht'sche Kugel.
Weil die zufällig gerade nicht zur Verfügung stand, mußte eine weiße Wand
als »Kugelersatz« herhalten. Natürlich ist diese Methode alles andere
als meßtechnisch empfehlenswert, für einen ungefähren Vergleich sollte es
aber reichen.
Die Wand wurde mit der LED aus einer Entfernung von
25cm mit einem Blitz von 20µs beleuchtet, wobei der Sensor so
positioniert wurde, daß das diffus reflektierte Licht auf dem DSO ein gut
ausgesteuertes Signal hervorrief. Als Vergleichsgerät diente ein Nissin
i40, das in der Leistungsstufe 1/256 auf eine Blitzzeit von 17µs kommt. Um
dieselbe Signalstärke auf dem Oszi zu erzeugen, mußte der Xenonblitz aus einer
Entfernung von 1,5m blitzen.
Bei einer sechsmal größeren Entfernung war er
gemäß Abstandsgesetz 62, also 36mal stärker als die LED. Natürlich
besaß das Blitzgerät einen Reflektor und war damit im Vorteil
gegenüber der diffus abstrahlenden LED, aber auch ohne Reflektor dürfte ein
Faktor von 10-20 übrigbleiben. Und das stimmt dann wieder recht gut mit der o.g.
Abschätzung überein.
Woran man natürlich immer denken sollte ist, daß
es sich bei dieser COB-LED nicht um eine LED handelt, sondern um
über hundert. Die LED ist also derzeit noch kein ernstzunehmender
Konkurrent für den Xenonblitz.
Was könnte aber getan werden, um das zu ändern?
- Erhöhung der Effizienz, also mehr Licht pro Watt. Aus physikalischen Gründen liegt das theoretische Maximum bei 683lm/W, wobei das nur für monochromatisches Gelbgrün-Licht von 555nm gilt. Weiße LEDs dürften kaum die Hälfte erreichen.
- Mehr Einzel-LEDs kombinieren. Doppelt so viele LEDs erzeugen doppelt so viel Licht.
- Verbesserung des elektrischen Wirkungsgrades, real liegt er bei 30-50%. Nicht umsonst erhitzen sich Power-LEDs im Dauerbetrieb enorm und benötigen eine massive Kühlung.
- Der resultierende Flußstrom bei UC=200V dürfte die LED noch nicht in die Sättigung getrieben haben. Zur weiteren Erhöhung des Stromes und damit der Lichtemission könnte die Spannung am Kondensator auf 400V angehoben werden. Allerdings kommt man dann schon wieder in die Regionen der Xenonröhre. Ein positiver Nebeneffekt einer höheren Spannung wäre aber eine kürzere Anstiegszeit, was förderlich für sehr kurze Blitzzeiten ist.
- Die LED muß nicht in einer Brückenschaltung betrieben werden, das war nur zum Testen notwendig. Im Endeffekt reicht ein Transistor im Längszweig, was die Verluste vermindert. Der Shunt-Widerstand kann natürlich auch entfallen.
- Optische Elemente zur Lichtkonzentration, z.B. Reflektor
Wird also die LED die Xenonröhre einholen oder gar überholen? In punkto Effizienz liegt sie schon vorn, allerdings nur bei kleinen Strömen. Hier offenbart sich der prinzipielle Unterschied der Lichterzeugung zwischen einer LED und einer Gasentladungsröhre. Die LED ist ein System, das umso besser funktioniert, je geordneter es ist. Ein hochreiner Kristall, möglichst ohne Fehlstellen, der ganz gezielt mit bestimmten Atomen dotiert wird, um einen pn-Übergang zu erzeugen, an dem die Photonen emittiert werden. Quasi ein System mit niedriger Entropie, das eine niedrige Temperatur voraussetzt. Der Strom wirkt dem entgegen, kaum daß er fließt. Er führt dem System Wärme zu, die die Entropie erhöht und das innere Gefüge zerstört. Mit steigender Temperatur sinkt aber die Zahl der Rekombinationen im PN-Übergang, bei denen Photonen erzeugt werden. D.h. je heißer der Chip, desto weniger Licht. Langfristig befördert die Zerstörung des Kristallgefüges die sog. Degradation ‒ die Verkürzung der Lebenszeit durch abnehmende Lichtemission.
Das genaue Gegenteil der LED ist die Gasentladungsröhre. Was bei der
LED stört, davon lebt die Xenonröhre. In ihr leuchtet ein stark
erhitztes Plasma, noch mehr Unordnung gibt es nicht. Wo also ohnehin
keine Ordnung herrscht, kann sie auch nicht zerstört werden. Ganz
im Gegenteil, höhere Energie bedeutet höhere Temperatur und damit
steigende Lichtemission. Natürlich besitzen auch Xenonröhren eine
begrenzte Lebensdauer, die aber nicht vom Abbau einer inneren Ordnung, sondern
von der schlichten mechanischen Haltbarkeit der Materialien
bestimmt wird.
Dazu kommt, daß das Spektrum der Xenonröhre von Haus
aus nahezu ideal für fotografische Zwecke geeignet ist und nicht erst mit
lichtschluckenden Verfahren angepaßt werden muß wie bei der
weißen LED.
Fazit: Die LED ist noch lange nicht am Ende ihrer Entwicklung angelangt, aber Wunder sind wahrscheinlich nicht mehr zu erwarten. Für allgemeine Beleuchtungszwecke, bei denen eine hohe Effizienz und lange Lebensdauer bestimmend sind, liegt die LED gut im Rennen. Als Ersatz für die Xenon-Blitzröhre dürfte sie es ‒ von Nischen-Anwendungen abgesehen ‒ eher schwer haben.